WAS BEDEUTET ‚FREI SICH BILDEN‘?

Es kann doch nur meinen, daß der Mensch als Subjekt das Recht hat, selbstverständlich frei sich zu bilden: also gelöst von jedweder Normativität, etwa von den Vorurteilen, ein „Kind“ zu sein, das zu einem Ziel geführt werten soll oder müsse. Ziel? Für einige stellt dieses das Abitur dar, für andere ein Diplom, ein „Abschluß“, eine Promotion… für noch andere eine gute Arbeit, die viel Geld bringen soll für Konsum und Erfolg und Prestige… Ein anderes ebenso schreckliches Vorurteil und Mißverständnis bezieht sich auf eine „Bildung“ als eine Ware, die früh als Gut „käuflich“ erworben und sozusagen fürs Leben eingespeichert werden müsse; eine Ware, die in entsprechend steriler „Verpackung“ von einer hierfür lizenzierten Autorität verabreicht wird, auf daß die Empfänger durch ein „Lernen“, welches unterstützt werden soll durch ein „Üben“, bei der sakrosankten Prüfung erfolgreich seien – zumal Scheitern der stigmatisierende Abstieg in die schreckliche Kategorie der Gescheiterten wäre… Weshalb dieses düstere Bild der Beschulung? Weil sich immer wieder jene Frage stellt, die hier thematisiert werden sollte:

RESPEKT VOR DEM LEBEN UND DEM MENSCHEN

Im Zusammenhang mit dem Anlaß dieser Anmerkung mögen zwei Aspekte wiederholend hervorgehoben werden, aus der Hoffnung heraus so zu verdeutlichen, wiesehr das selbstverständliche Recht, frei sich zu bilden, einer Haltung entspringt, die als Respekt vor dem Leben und dem Menschen umschrieben werden kann. Aus dieser Haltung heraus wird klar, daß die Institution Schule nur ein Symptom ist, das durch Kritik und Reformversuch bloß aufgewertet würde: ein völlig kontraproduktives Ansinnen. Zumal durch viele auch derzeitig verlaufende juristische Verfahren sich wohl eine andere Frage stellt: Zwar funktioniert dieses System nach bestimmten Gesetzen und Normen, doch wenn es etwa darum geht herauszufinden, wer weshalb welche Gesetze und Normen anwendet und welche Urteile wie „begründet“, stellt sich heraus: Weder in Schulbehörden noch in der Politik noch in der Justiz konnte bisher jemand aus seinem Gewissen heraus für die bestehenden Zu- oder Mißstände dieser Schulnormativität sich verantwortlich zeichnen; im Zweifelsfalle wird mit der gesetzlichen Pflicht oder mit wackeligen und unhaltbaren prognostizistischen Aussagen argumentiert, die nach „Lesen im Kaffeesatz“ erinnern und nur dadurch „Bestand“ haben, weil es bisher „alle so gemacht haben“… Schlimmer allerdings: Bisher hat noch keine Richterin, noch kein Richter sich bereit erklärt, angesichts des offensichtlichen juristischen Widerspruchs selbst initiativ zu werden, um etwa mit einem Normenkontrollverfahren das Bundesverfassungsgericht anzurufen…

DAS ZAUBERWORT HEIßT HALTUNG

Haltung drückt eine Einstellung zum Leben und zum Menschen aus, die getragen ist von Liebe, vom Vertrauen und vom Wissen um die angeborene Kompetenz eines jeden Menschen, von Anfang an. Mit dieser Haltung ist eine institutionelle Bevormundung und Beleidigung unvereinbar. Bisher konnte kein Jurist, insbesondere kein Staatsrechtler plausibel darstellen, wie ein freiheitlich-demokratisches Staatswesen, das sich auf unserer Verfassung stützt, seine Gewalt rechtfertigen kann. Daher die Frage, ob es gelingen wird, jene obsoleten Pfeiler einer nicht mehr zu vertretenden und nicht mehr zu „rechtfertigenden“, völlig kontraproduktiven Institution Schule, sprich: die zivilisatorische Beschulungsideologie auszuhebeln…